Sch wie Schleusen oder schleusen

Drama oder Lustspiel in fünf Akten

1. Akt - Annäherung

Schleusen - Angstraum oder spannende Unterbrechung des Törns - da gehen die Meinungen doch deutlich auseinander. Bei der ersten Schleuse, die ich unter "eigenem Kommando" anlief, haben wir vorher fest gemacht und sind zur Schleuse gepilgert. Im Café Sluiszicht (Okay, Kenner haben es damit erkannt, es war die Schleuse Blokzijl im schönen Friesland) haben wir dann ganz unauffällig einen bis zwei Kaffee mit Appelgebak und Slaag geordert und uns so einige Zeit am Tatort aufgehalten und dabei hin und wieder beiläufig und gelangweilt in Richtung Schleuse geschaut - nicht unbedingt durch ein Loch in der Zeitung aber dennoch mit nach außen gebremstem Interesse - tja, und irgendwie habe ich dann bei all dem Elend gedacht: Das schaffe ich auch - und so war´s! Damals war ich aber schon stolzer Besitzer aller möglichen Scheine, hatte zwei Schleusentörns mitgemacht und meterweise Literatur verschlungen - es ist wie immer im Leben: Das erste Mal ist eben ein wenig schwierig und da muss halt jeder durch. Der eine braucht etwas mehr an Vorbereitung und der andere weniger - ich brauchte ganz viel davon. Später macht es dann nur noch Spaß! Ehrlich!!


Ruhrschleuse Mülheim - schmal und feucht. Sie soll saniert werden - seit Jahren.

Schleusen gibt es in unendlich vielen Varianten: Schmale Sportbootschleusen mit Riesenhub, in denen man sich vorkommt wie in einem engen Schacht, riesige Großschifffahrtschleusen mit mehreren hundert Metern Länge oder wie unten die Seeschleuse Papenburg an der Unteren Ems - 26 Meter breit - prima Becken, wenn man vorher noch schnell das Anlegemanöver üben muss. Die Strömung stört dabei nicht, denn der Hub liegt tidenabhängig manchmal nur im Zentimeter-Bereich.

Kuschelige Schleusen aus vergangenen Tagen, die heute nur noch von Sportbooten befahren werden, hier bei Ter Apel. Die bauchige Form führt dazu, dass man sich beim Ein- und Ausfahren in die Ecken hinein- und natürlich auch wieder herausdrehen muss. Immer spaßig, einige kriegen so etwas nie hin. Alle diese Schleusen beruhen auf dem Prinzip der Kisten- oder Kastenschleuse: Ein Becken wird geflutet, die Boote fahren ein und das Wasser wird wieder abgelassen - auf niedrigerem Nieveau geht es dann weiter (und umgekehrt).

Die einfachen Schwallschleusen (Fluß wird gestaut, dann das Wehr gelegt und alles rauscht mit der Flutwelle zu Tal) sind heute glücklicher Weise nicht mehr üblich - die Rückfahrt war etwas schwierig. Weitere Bauwerkstypen sind Hebewerke und Schrägaufzüge - Menschen können sooo erfinderisch sein, wenn es um Bequemlichkeit geht! Eine ganz abgefahrene Lösung gibt es in Schottland, das Falkirk Wheel, Flip aus dem boote-forum hat mir den Link geschickt!


Hebewerk Lüneburg - beim Bau 1974 das größte Hebewerk der Welt -38m Hub

Hebewerke entschädigen für entgangene Schleusenromantik mit fantastischen Ausblicken, stehen sie doch in der Regel dort, wo große Höhenunterschiede zu überwinden sind, also an Geländekanten und -abbrüchen wie hier das Hebewerk Niederfinow, dass einen sehr schönen Fern-Blick auf das Oderbruch gestattet.

Manchmal findet man auch noch die klassische Rundform - hier die berühmte Kesselschleuse Emden - die alten Baumeister hatten nämlich so ihre Probleme mit der Statik: War das Wasser abgelassen, drückte das Erdreich ohne Gegendruck nach innen - die Wände stürzten ein. Also erinnerte man sich an die erfolgreichen Gewölbe-Konstruktionen und baute Kessel-Schleusen. Hier in Emden nutzt man die Form darüber hinaus zu mehreren Zu- bzw. Abgängen - praktisch ein Kreisverkehr auf dem Wasser. Achtung: Die richtige Ausfahrt nicht verpassen - Blinken ist dagegen nicht notwendig ;-)))

Oftmals muss man auch selbst Hand anlegen - hier in der historischen Dreiwegeschleuse an der Linthorst Homansluis in den Niederlanden - bei den modernen Selbstbedienungsschleusen allerdings werkeln oft auch hier Motoren. Man muss sie nur noch einschalten. Und damit sind wir bei einem ganz besonderen Problem: Wenn man in eine Schleuse einfährt und andere Boote warten ebenfalls auf die Einfahrt, sollte es eigentlich selbstverständlich sein, so weit durchzufahren, dass die anderen auch noch Platz finden. Klar ist niemand verpflichtet, bis direkt unter das Obertor zu fahren - ein wenig Sicherheitsabstand ist schon notwendig. Aber die Realität sieht doch ganz anders aus: Das erste Boot fährt langsam in die Kammer ein, der Skipper steuert schon nahe an die Wand, immer näher, vorn am Bug lauert mindestens ein Crew-Mitglied auf die Poller. Kaum ist der erste Poller in erreichbarer Nähe, wird schon die Leine gelegt und Ratz-Fatz ist das Boot fest. Geschafft! Motor aus, der Skipper strahlt und schaut erstmals hinter sich. Aber was kümmert da der Rest der Welt? Hauptsache ICH bin fest! Passiert immer wieder, das erste Boot legt soweit hinten an, das nur ein Teil der wartenden Schiffe mitkommt - das ist keine gute Seemannschaft. Oder, genau so gerne gesehen: Kaum ist das Boot fest, wird der Schleusenmechanismus in Gang gesetzt, die Ampel schaltet auf Rot und die Tore schließen sich. Kein Blick zurück, ob da vielleicht noch jemand um die Ecke biegt, kein Gedanke an die anderen. Solche Leute könnte ich immer...

Schleusen sind in der Regel der Anziehungspunkt für Radfahrer, Wanderer oder einfach alle Menschen, die irgendwie unterwegs sind und die etwas erleben wollen, Menschen, denen die Seifenoper in der Glotze nichts mehr gibt und die darum im wahren Leben nach dem ultimativen Abenteuer suchen - nee, falsch, diese Typen stehen ja im Cockpit - die "Sehleute" sind also solche, die sich am (möglichst chaotischen) Abenteuer der anderen erfreuen wollen. Natürlich sind besonders solch schöne Orte wie hier die Schleuse Bobzin an der Müritz-Elde-Wasserstraße - Hubhöhe immerhin 7,40 Meter - ein lohnendes Ziel für den Spaziergang oder die Radtour oder mindestens doch eine attraktive Stelle für die Verschnaufpause. Ein echtes Spektakel, wenn diese Schleuse zu Tal kommt. Und sie hält für den Skipper noch eine Überraschung parat (siehe weiter unten). Zurück zum Thema: Vor allem im Ruhrgebiet stehen bei schönem Wetter am Wochenende oftmals bis zu fünfzig Menschen auf den Schleusenbrücken - auf jeder! Also, nicht die ganze Innung blamieren, wenn man einen solchen Publikumsmagneten befährt! Skippermütze auf den Kopf, den (vielfach vor dem Spiegel geübten) coolen Gesichtsausdruck auf das Antlitz gezaubert und dann mit Gelassenheit und Ruhe los - wird schon schief gehen!

Die Niederländer haben dafür ein netttes geflügeltes Wort: Die besten Skipper stehen immer am Ufer - das ist wohl wahr. Da hilft nur eines: Keine Hektik, keine Panik, kein Geschrei - vorher das Manöver absprechen, die Liebste mit einem netten Wort und einem herzhaften Kuß auf die kommende Aufgabe einstimmen und dann ruhig hinein - ins Rampenlicht - und in die Schleuse. Zeigen wir den Leuten am Ufer, welch coole Säue auf unseren Wasserstraßen unterwegs sind!

So, jetzt aber Butter bei die Fische, wir müssen mal zu Potte kommen....

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